Presse

Reutlingen
Ein Kontaktbüro für das Ehrenamt

Carola Eissler | 10.11.2017

Christoph Kullmann von der Freiwilligen Agentur. An drei Tagen in der Woche ist das Büro geöffnet. Foto: Eissler

Was wäre diese Gesellschaft ohne die Ehrenamtlichen. Und: Was wären die ehrenamtlichen Teams ohne die Senioren. In Deutschland engagieren sich 45 Prozent der Bürger ehrenamtlich, der Großteil sind Senioren, die sich von den Tafelläden über Vereine bis zu konkreten Hilfe und Begleitung im Alltag freiwillig ehrenamtlich einsetzen. Das ist auch in Reutlingen nicht anders. Was läge also näher, als all die Freiwilligendienste zu bündeln und zu koordinieren. Oder anders gesagt: Jene, die sich engagieren, und jene, die den Freiwilligendienst beanspruchen, zusammen zu bringen. Genau dies sieht die Freiwilligen Agentur Reutlingen als ihre Aufgabe. Sie bietet eine umfassende Plattform für Helfer und Hilfesuchende. Eine Win-Win-Situation, wie es auf Neudeutsch gerne heißt.

Der Umzug der Freiwilligen-Agentur von der Stadtbotenstraße in die Planie 11 liegt gerade mal ein paar Monate zurück. Mit einem großen und informativen Tag der offenen Tür hatte die Einrichtung dann Mitte Oktober den Bezug der neuen Räumlichkeiten gefeiert. Und dabei gleich die innovativen Konzepte für die zukünftige Arbeit vorgestellt. 2010 war die Freiwilligen-Agentur von der Liga der Freien Wohlfahrtsverbände gegründet worden, inzwischen sind die Ehrenamtlichen autonom, auch wenn sie nach wie vor vom Diakonieverband und vom „Paritätischen“ unterstützend und beratend begleitet werden. Und natürlich von der Stabstelle Bürgerengagement der Stadt Reutlingen. Partnerschaften, die bei der Freiwilligen Agentur sehr willkommen sind und das Engagement der Ehrenamtlichen erleichtern, wie Christoph Kullmann, der Sprecher der Freiwilligen Agentur betont.

Die Welt dreht sich schnell, das spürt man auch bei der Freiwilligen Agentur. Kein Wunder also, dass das Thema Digitalisierung auch bei den Ehrenamtlichen eine Rolle spielt. „Um Menschen fürs Ehrenamt zu gewinnen, braucht es die Internet-Plattformen und sozialen Medien“, betont Kullmann. So wurde zum Beispiel auf der Homepage eine digitale Pinwand eingerichtet. „Die Kommunikation wird sich verändern“, ist sich Kullmann sicher. Für Menschen, die nicht mobil oder bewegungseingeschränkt sind, kann die Digitalisierung durchaus ein Segen sein. Sie fallen dennoch aus dem sozialen Kontakt nicht heraus.

Rund 14 Ehrenamtliche zählen zum Team der Freiwilligen Agentur, die sich die Arbeit teilen. Auch die Bürozeiten an drei Tagen in der Woche werden im Wechsel gestemmt. Zudem gibt es einen Steuerungskreis, der sich um die einzelnen Projekte kümmert. Freilich, der Großteil der Engagierten haben ihr Berufsleben schon hinter sich und tragen nunmehr durch ihr Engagement zum guten Zusammenleben in der Stadt bei. Dennoch will Kullmann nicht so einfach den Satz prägen, die Senioren hielten das Ehrenamt in der Gesellschaft zusammen. „Man muss differenzieren“, betont er und nennt das Beispiel von jedem Rentner, der abends noch Regale im Supermarkt einräumt, weil er sonst nicht über die Runden kommt. Dem könne man nicht mit ehrenamtlichem Engagement kommen. Gerade in Zukunft werde die Altersarmut eine größere Rolle spielen. „Da müssen wir uns Gedanken machen, wie wir diese Menschen in unsere Initiativen einbinden können. Denn gerade für sie ist der soziale Kontakt sehr wichtig.“

Neu aufgestellt hat sich die Freiwilligen Agentur in den vergangenen Monaten. Neben der Kärrnerarbeit werden jetzt auch die „Werkstattgespräche Freiwilliges Engagement“ und das „Offene Ohr“ angeboten. Mit beiden Projekten betreten Kullmann und seine Mitstreiter Neuland, sehen diese Projekte aber als zukunftsweisend.

Bei den Werkstattgesprächen werden regelmäßig in der City Kirche Initiativen vorgestellt, die vom ehrenamtlichen Engagement leben. Dort können sich Interessierte unverbindlich informieren und sich selbst ein Bild machen. „Es geht hier nicht um eine große Veranstaltung. Es geht darum, die wirklich Interessierten einzubinden. Das gelingt.“ Das „Offene Ohr“ richtet sich an Ehrenamtliche, die eine unabhängige Beratung brauchen, die mit Problemen bei ihrem Engagement konfrontiert sind oder die einfach mal einen neutralen Raum für ein Gespräch mit qualifizierten Beratern brauchen. Das Angebot steht allen ehrenamtlich Engagierten in Reutlingen zur Verfügung und ist kostenlos.

Fürs Ehrenamt zu sensibilisieren, das treibt die Freiwilligen Agentur an. Sie bietet Qualitätssicherung und ist gleichzeitig eine Kontaktbörse fürs Ehrenamt. Sie will eine Lobby sein für jene, die ihr Engagement und ihre Kraft in ganz unterschiedlichen Bereichen einsetzen. Die Zivilgesellschaft braucht solche Initiativen. In einer kälter und anonymer werdenden Welt mehr denn je.

Eine tolle Truppe
Carola Eissler | 14.10.2017 – Reutlinger Nachrichten

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Bild: SWP

Nach der Stadtbotenstraße nun also die Planie 11: Die Freiwilligen Agentur Reutlingen, institutionell an den Diakonieverband angebunden und über eine Steuerungsgruppe koordiniert, zeigte sich gestern beim Tag der offenen Tür in den neuen Räumen voller Elan und Esprit. Mit dabei ist auch der Kooperationspartner „Kulturpforte“.

Die Agentur bündelt freiwilliges Engagement in der Stadt, vernetzt Anbieter und Ehrenamtliche, koordiniert das Ehrenamt und bietet Menschen in der Stadt Möglichkeiten, sich zu engagieren und Initiativen kennen zu lernen. Denn, „20 Prozent aller Bürger engagieren sich noch nicht, würden es aber gerne tun“, hat die Leiterin der städtischen Stabsstelle Bürgerengagement, Anke Bächtiger, festgestellt. Die Freiwilligen Agentur sehe sich deshalb als „Ermöglicher“ und Anlaufstelle, so Bächtiger. Und sie bescheinigte den Machern der Agentur um Koordinator Christoph Kullmann: „Sie sind eine ganz tolle Truppe hier.“

Günter Klinger, Geschäftsführer des Diakonieverbandes Reutlingen, blickte beim gestrigen Tag der offenen Tür nochmals in die Vergangenheit und erinnerte an die Anfänge vor fünf Jahren, als die Agentur aufgebaut wurde. „Wir wollten immer Begegnung schaffen und auf der Beziehungsebene Kontakte knüpfen.“

Daran hat sich nichts geändert, auch wenn die Freiwilligen Agentur sich neu formieren und ausrichten möchte. Da ist zunächst die Datenbank im Internet, die alle Vereine mit Ehrenamts-Angeboten und alle Einzelangebote auflistet. Die Agentur bietet Beratung für Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen. Dabei soll das Projekt „Offenes Ohr“ für Ehrenamtliche eine Anlaufstelle sein, wo die Betroffenen individuelle Anliegen und Sorgen thematisieren und sich auch Beratung holen können. Ein Novum in Reutlingen.

Geplant sind zudem so genannte Werkstattgespräche über vielfältige Themen, denen Ehrenamtliche im Alltag begegnen. Auch in der City Kirche will die Agentur zukünftig präsent sein und dort Institutionen, die ehrenamtliches Engagement anbieten, präsentieren.

Kooperationspartner der Agentur bleibt nach wie vor die Kulturpforte Reutlingen. Sie bietet Freikarten für Menschen mit geringem Einkommen. Auch sie wird in Zukunft in der Planie 11 zu finden sein.

Norbert Leister schreibt im GEA (16.10.2017) >>>Tag der offenen Tür_13.10.2017

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